Dieser Blogartikel ist zuerst erschienen bei audibene.

Das Thema Musikhören über digitale Hörgeräte ist nicht nur für den Hörgeräteträger selbst und die Hersteller von großem Interesse, sondern vor allem auch für die Akustiker. Sie stellen mit ihrer Einstellungsleistung sicher, dass Endkunden den maximalen Musikgenuss über ihre Hörgeräte erleben können. Über die anspruchsvolle Aufgabe, die Geräte optimal auf die Bedürfnisse des Benutzers einzustellen,berichtet im folgenden Gastbeitrag die Schweizerin Esther Rois-Merz. Die Expertin für musikalische Hörakustik arbeitet selbst erfolgreich als Akustikerin.

Musikalische Hörakustik: Esther Merz Quelle: Esther Merz

Musikalische Hörakustik: Esther Rois-Merz
Quelle: Esther Rois-Merz

Ich habe es mir zum Ziel gesetzt, Hörgeräte für den Musikgebrauch fit zu machen. Ein ehrgeiziger Anspruch, scheut sich doch eine ganze Industrie davor, denn musikalische Audiosignale sind einfach zu komplex und zu unerforscht, als dass man sie technisch und vor allem automatisch und in Echtzeit bewältigen könnte. Nichtsdestotrotz ist Musik unsere ständige Begleiterin. Nicht nur für dezidiert MusikerInnen oder MusikliebhaberInnen, nein, wir alle sind ständig umgeben von Musik. Manchmal gewünscht beim Radio- oder MP3-hören, im Konzert oder in der Oper. Manchmal auch unerwünscht bis kommunikationsverhindernd bei Zwangsberieselung im Supermarkt, Volksfesten und Familienfeiern.
Nun gibt es ein Patentrezept, wie ein musikalisches Hörgeräteprogramm von Herstellern geliefert wird: es werden alle Spracherkennenden Automatismen ausgeschaltet, Feedbackunterdrückung – so gut es geht – deaktiviert und die Mikrofonie von der teils adaptiven Richtmikrofonie auf die besser klingende Omnidirektionalität geschalten. Das war´s von Seiten der herstellereigenen Presets.

Das war´s leider auch für viele AkustikerkollegInnen: Preset geladen, fertig.

Das war´s aber noch lange nicht für eine audiologisch optimale Musikanpassung, wie es die Audienz durchführt. Musikalische Hörgeräteanpassung beschränkt sich nicht aufs Herumklicken in einer Anpasssoftware. Mit dem Klangfinder, einem hochwertigen Kunstkopf zum Abhören von HdO-Geräten, werden im Vorfeld einer Anpassung Geräte untersucht. Und zwar nicht auf Überprüfung von Messwerten aus Datenblättern oder in Bezug auf die schönsten Kurven über den gesamten Frequenzbereich, wie man es z.B. in der Lautsprecher- oder Mikrofontechnik handhabt. Nein, sondern subjektiv und auf Klang. Sprich mit den eigenen Ohren. Mit denen einer erfahrenen Tonmeisterin im ersten und mit denen einer/eines erfahrenen Hörgeräteträgers/in im zweiten Schritt.

Aufschrei! Hier an dieser Stelle! Subjektiv! Nicht übertragbar! Persönlich gefärbt!

Stattgegeben. Bis zu einem gewissen Grad. Nämlich bis zu dem wo man feststellt, dass Messwerte auch nur ein Werkzeug unter vielen sind, um gewisse Eigenschaften von Audiogeräten zu prüfen und zu beschreiben. Wenn es aber um klanglich fein differenzierte Merkmale geht, dann hat einem das natürlichsten funktionierende Gerät immer schon am besten geholfen: das eigene Ohr. Dieses gehört geschult und kann solch eine Funktion natürlich nicht ohne Vorwissen übernehmen. Jedoch sind meiner Erfahrung nach gerade auch HörgeräteträgerInnen sehr gut in der Lage, technische Eigenheiten oder auch Mängel hören zu können – sie sind sie einfach zu hören gewohnt, im Gegensatz zur großen Menge der unbewussten HörkonsumentInnen.

In meinen ersten Hörversuchen durch die verschiedenen Hörgerätemarken hindurch konnte ich durchaus klangliche Unterschiede feststellen. Es gibt Geräte, welche für ihren Anpassbereich ein sehr hohes Grundrauschen haben (sicher auch technisch messbar). Geräte, welche mit hohen Eingangspegeln nicht zurechtkommen (auch messbar, steht aber in keinem Datenblatt). Geräte, welche trotz Ausschalten aller musikalischen Parameter kein dynamisch stabiles Signal zulassen (this you will never find out without listening). Und Anpasssoftware mit Knöpfchen, welche man drücken kann, die aber klanglich überhaupt nichts bewirken (it´s a marketing issue). All dies hat mich bestätigt darin, diesen subjektiven Weg nebst der Ausführung des traditionellen Handwerkes zu begehen.

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