Wir haben letztens eine sehr interessante Frage von einem Bass-Bariton Sänger bekommen, mit der wir uns selbst mal auseinandersetzen mussten: ist es möglich Audiometrie-Tests mit tieffrequentem Schall durchzuführen? Diese Frage war wichtig für ihn, denn ein männlicher Sänger kann mitunter runter bis 80 Hz singen. Bis jetzt sind wenige Studien über dieses Thema gemacht worden, aber es gibt einige sehr interessante Informationen, die wir gerne mit Ihnen teilen würden.

1 Grafik vom Unteren Ambitus männlichen Stimmen mit Frequenzen und Tonhöhen (Wiki-Commons)

Erstens sollten wir klarstellen, was tieffrequenter Schall ist. Diese Bezeichnung wird dafür verwendet, den Schall zu beschreiben, der zwischen den Grenzen von 16 Hz und 100 Hz liegt.[i] Bei der Ausführung eines Hörtest kann die Luftleitung, also wenn der Schall durch den äußeren Gehörgang geht, normalerweise nur bis zur niedrigsten Frequenz von 125 Hz gemessen werden.[ii] Das heißt, dass tiefere Frequenzen als diese Grenze nicht messbar sind. Dies geschieht, weil diese Tests einen Schwerpunkt auf die Verständlichkeit der Sprache haben,[iii] und nachdem so tiefe Frequenzen im Normalfall dafür irrelevant sind, war eine audiometrische Messung unter der erwähnten Grenze für lange Zeit nicht notwendig. Trotzdem haben sich in den letzten 30 Jahre schon einige Forscher gewundert, ob es nicht wohl sinnvoll wäre, eine Messung im tieffrequenten Bereich zu machen. Letztendlich werden wir immer mehr von tieferen Frequenzen beschallt und somit ist es begründet, sich diese Frage zu stellen. Laut Zwicker (1967)[iv] können auch in der Musik die Frequenzen viel weiter unter diese 125 Hz Grenze gehen und Musikliebhaber und Berufstätige in diesem Bereich sollten nicht daran leiden, dass sie ein Teil ihr Lieblingswerk verpassen, ohne zu wissen worin das Problem besteht.

2 Grafik der Verhältnisse zwischen Hörschwelle, Schmerzgrenze, Sprache und Musik (Wiki-Commons)

Laut Kubicek (1989)[v] gibt es im tieffrequenten Bereich einen kontinuierlichen Höreindruck einer Rauhigkeitsempfindung. Die Unterscheidung von Tönen bzw. die Tonhöhen-Empfindung ist deswegen nicht so ausgeprägt wie beim Normalschall. Solche Eigenschaften bereiten Schwierigkeiten bei der Messung und, obwohl sie selbst den Test nicht verhindern, sollte man darauf achten, dass nicht weitere Verfälschungsfaktoren ins Spiel kommen, damit die Ergebnisse trotzdem verwendbar sind.[vi] Im gewöhnlichen Audiometrie-Test werden supra-arale Kopfhörer verwendet, z. B. welche, die die ganze Ohrmuschel umschließen. Für tieffrequenten Schall sind diese Kopfhörer aber von Nachteil, denn trotz der guten Dichtung gibt es einen Spalt zwischen der Muschel und dem Hörer, die für diese tiefen Frequenzen Probleme bereiten könnte.[vii] Es kann auch passieren, dass die Kopfhörer aufgrund von große Membranbewegungen einen physisch taktilen Stimulus bereiten, mit dem die Testperson den Ton nicht hörbar, aber eventuell sehr wohl spürbar wahrnehmen kann. [viii] Außerdem sollte darauf geachtet werden, dass die Sinustöne vom Kopfhörer rein abgestrahlt werden. Kommen durch leichte Verzerrungen Obertöne hinzu, so würde dies das Messergebnis verfälschen. Die Testperson könnte eventuell die Obertöne hören und, durch die Verhältnisse zwischen diesen, könnte ihr Gehirn den Grundton ausrechnen und glauben diesen zu hören. Dieses Phänomen ist unter dem Namen von Residualtönen oder Grundtonhöhe-Empfindung bekannt.[ix] Deswegen sind Steuerungen zu verhindern.

Nichts desto trotz wurde in einer Studie von Arlinger1991)[x] festgestellt, dass eine Messung in tieffrequentem Bereich sehr wohl möglich ist, man braucht dafür nur das richtige Equipment. Die Forscher haben in dieser Studie die Hindernisse der Verfälschungsfaktoren überwunden, indem sie neue dafür hergestellte In-Ear-Kopfhörer verwendet haben, die aufgrund der maßgefertigten Anpassung und gutem Sitz im Ohr einen deutlichen Verbesserungsfaktor im Vergleich zu den bis dahin für solche Tests verwendeten Standard-Kopfhörern gezeigt haben. Obwohl es bis heute noch kein Audiometer gibt, das dafür eingestellt ist, tieffrequenten Schall zu messen, entstehen immer wieder neue Recherchen, die mit dem Thema zu tun haben und neues Equipment um solche Möglichkeiten anzubieten. Hoffentlich wird es bald mehr Möglichkeiten geben ein Audiometrietest in diesem Bereich zu machen.

Fatima Gerendas Obiols - Studentin der Musikwissenschaften an der Universität Wien und Sängerin-Songwriterin.

Assistentin von Mag.a art. Esther Rois-Merz bei Audienz – musikalische Hörberatung 2018.

Quellen:

[i] Kubicek, Rainer: Vorkommen, Messung, Wirkung und Bewertung von extrem tieffrequentem Schall einschließlich Infraschall in der kommunalen Wohnwelt. Dissertation TH Zwickau 1989.

[ii] Arlinger, Stig D.: “Normal hearing threshold levels in the low-frequency range determined by an insert earphone” in The Journal of the Acoustical Society of America. (90/2411); doi: 10.1121/1.402045, 1991.

[iii] Grevers, Gerhard; Iro, Heinrich; Probst, Rudolf: Hals-Nasen-Ohrenheilkunde. Georg Thieme Verlag, Stuttgart 2000.

[iv] Zwicker, Eberhard; Feldtkeller, Richard: „Das Ohr als Nachrichtempfänger“ aus Monographien der elektrischen Nachrichtentechnik. (19) Hirzel, 1967.

[v] Kubicek, Rainer, 1989.

[vi] Schmidt, Manfred: Forschungsvorhaben zur Messung und Prognose der Einwirkung tieffrequenter Schalle an Immissionsorten für DIN 45680, 2016.

[vii] Arlinger, 1991.

[viii] Arlinger, 1991.

[ix] Hellbrück, Jürgen; Ellermeier, Wolfgang: Hören. Physiologie, Psychologie und Pathologie. Verlag für Psychologie, 2004.

[x] Arlinger, 1991.

 

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