Mitte März 2020 haben die Opernhäuser in Österreich, Deutschland und anderen europäischen Ländern zusperren müssen. Was zuerst für den Lock-Down von circa einem Monat angedacht war, stellte sich als abruptes und verfrühtes Saison-Ende heraus. In einigen Betrieben wurde anscheinend noch weiter geprobt, bis die Behörden endlich eingriffen.

Die Befürchtungen häuften sich: man wisse nicht, ob die Opernhäuser überhaupt im Herbst wieder aufsperren dürften!

Nach der ersten Schockstarre wurden dann kreative Alternativen ausprobiert: sei es kammermusikalisch im Internet live aufzutreten oder online-Zusammenschnitte mit Einblicken ins private Home-Office der OrchestermusikerInnen zu kreieren.

Doch eines war sicher: SängerInnen und BläserInnen hatten es seit Ostern 2020 nicht leicht. Sie wurden sogleich von diversen Corona-geselligen Aktivitäten ausgeschlossen, da sie ja mit Mundschutz nicht spielen können. Von bis zu 12 Metern (!) Abstand in Spielrichtung soll hier die Rede gewesen sein.

Zahlreiche Experimente haben daraufhin demonstrieren müssen, dass die Schallerzeugung mit der Kehle und den Lippen quasi nicht mehr Aerosole verbreitet als normales Atmen (siehe weiterführende Links am Artikel-Ende).

Nun kommen die ErstellerInnen von künftigen Spielplänen in der COVID-Saison 20/21 hoffentlich bald zur Vernunft und hören mit dieser Diskriminierung „im Sinne der Gesundheit aller“ auf.

Ich würde mir wünschen, dass dabei ein Raum entsteht, indem auch andere Gesundheitsrisiken endlich vernünftig diskutiert und nicht ein schauderhaftes und gefühlskaltes „es war ja schon immer so“-Unser heruntergebetet würde.

Namentlich meine ich natürlich den Schutz unseres Gehörs. Das vielfach verkannte Problem ist, dass die Ohren dauerhaft geschädigt bleiben, wenn sie einmal gesundheitlich beeinträchtigt wurden. Das gibt sich nicht mehr wie nach einer einmaligen Erkrankung. Gottseidank stirbt man an einem Gehörleiden zwar nicht, aber das MusikerInnen-Herz kann ordentlich darunter leiden, und auch die eigene Karriere wird in Frage gestellt.

Gehörschäden gehen an die psychische Substanz sowie an die berufliche und soziale Existenz.

Kleinere Besetzungen, etwas mehr räumlichen Abstand voneinander, weniger Auftritte: all dies täte zum Schutz des Gehörs beitragen. Diese Handlungs-Anweisungen hat der Gesetzgeber bereits 1989 in einer Richtlinie zum Schutz der ArbeitnehmerInnen niedergeschrieben.

2016 wurde dieses Gesetz EU-weit mit der Verordnung 2016/425 noch verschärft, da ein zu lauter Arbeitsplatz zu irreversiblen Gesundheitsschäden führen kann. Dies führte wiederum zu starkem Widerstand in der Herstellungsbranche, da die Durchführung der geforderten Prüfverfahren mit immensen Kosten verbunden ist.

Dieses Gesetz ist also EU-weit rechtskräftig. Warum wird es von den Betroffenen nicht befolgt?!

Ich finde es ist an der Zeit mit der jetzigen Sensibilisierung durch Covid-19 für solidarisches Gesundheitsverhalten, das zu ändern.

Dennoch habe ich den Titel dieses Blog-Artikels im Konjunktiv geschrieben… Belehren Sie meinen Missmut bitte eines besseren und kümmern Sie sich, liebe Leserin, lieber Leser, rechtzeitig präventiv um Gehörschutz für sich und andere!

Weiterführende Links in chronologischer Reihung ihrer Veröffentlichung:

Professor Matthias Bertsch von der mdw mit seinen Trompeten-&Posaunen- Experimenten vom 27.4.2020:

Bericht des Bayrischen Rundfunks: ForscherInnen experimenten mit den Bamberger Symphonikern, Bericht vom 5.5.2020.

Stellungnahme der Universitätsklinik Berliner Charité vom 7.5.2020.

Video von Kammersänger Andreas Schager mit einem Kerzen-Experiment zu seiner lautesten Gesangs-Stelle in Giuseppe Verdis Otello am 11.5.2020:

BR-Klassik berichtet über die neuesten Studienergebnisse am 11.5.2020.